Olloniego - Oviedo

 

Hier wird nicht geschummelt! Also verlasse ich morgens die Herberge wie es sich gehört mit Rucksack und allem drum und dran und tappsele einmal quer durch Oviedo zum Bahnhof, den ich gerade rechtzeitig zur Abfahrt des Zuges erreiche. Und los geht es. 

 

 

Wie der Weg ist? Oh, fragt mich  nicht! Irgendwie verwischt sich bei mir langsam alles: Schotter, Splitt,  Wald,  Wiesen, Felder,  Strassen,  Traktorwege - ich sag jetzt mal,  es war von allem ein bisschen etwas dabei.  Was ich aber ganz bestimmt weiss: Gestern hätte ich es auch noch geschafft,  wenn ich es gemusst hätee,  aber ich hätte mir fürchterlich dabei wehgetan, denn der Weg wird furchtbar lang.  Drei Stunden bin ich noch unterwegs,  ein bisschen rauf,  ein bisschen runter,  ein bisschen geradeaus. 

 

 

Vor einer kleinen Kirche in einem Dorf kurz vor Oviedo finde ich dann das erste Jakobchen auf meinem Weg! Das ist soooo schön! Ich habe ihn so vermisst! Und ich vermisse auch das Buen Camino! Das sagen die Menschen hier gar nicht.

 

Was ich nicht so dolle vermisst habe, sind Mitpilger. Im Gegenteil. Ich habe diese Tage in Ruhe und ganz für mich alleine ganz unverschämt genossen - auch wenn es schon manchmal gruselig war. Ganz oben auf dem Berg und vorgestern, als ich mich so verlaufen hab, da habe ich Tiergeräusche gehört, die waren mir ... nicht ganz ungruselig und da hätte ich mir schon jemanden gewünscht, der mir sagt, dass das wahrscheinlich nur große Mäuse sind. So hatte meine Fantasie freien Blick auf Wölfe und Bären und ganz fürchterliches Getier. Aber da bin ich halt ein bisschen schneller gelaufen und schon war wieder alles gut.

 

 

Als ich in Oviedo einlaufe,  bin ich froh,  dass ich schon vorbereitet war.  Hier ankommen nach so langer Zeit in fast absoluter Einsamkeit und dann all die Menschen und Autos,  der Lärm, das Gewusel - das haut mich ja so schon fast um.  Wie wäre es dann gestern gewesen?! 

Ich zieh mich auf die stille Treppe der Herberge zurück.  Prompt kommt ein Herr, um hier noch einmal nach dem Rechten zu sehen,  bevor die heutigen Pilgermassen einströmen, und ich darf meinen Rucksack schon mal einstellen. 

 

Bis etwa 15.00 Uhr ist hier der Bär am Steppen,  dann wird es schlagartig leer und ruhig. 

Rechtzeitig als ich zur Herberge gehe,  weil die öffnet (17.00), kriege ich von Tulpe eine Nachricht,  ob ich mir schon die Salvadorana,  so etwas wie die die Compostela für den Camino de San Salvador abgeholt hätte? Die gibt es eine in der Herberge und eine in der Kathedrale. Das wusste ich gar nicht,  dass es das gibt! Die von der Kathedrale habe ich leider nicht,  denn da ist morgen erst wieder ab 10.00 jemand da,  der sie mir geben kann. Aber die von der Herberge habe ich und die ist so schön und ich bin so stolz darauf! 

 

Aber der Weg dahin ist ein bisschen ... ojeojeoje. Leider kommt um 17.00 nicht wieder der nette Herr von mittags,  sondern der von gestern und der ist ein bisschen...  komisch,  so verknartzt. Er kommt,  guckt mich gross an,  was ich denn heute schon wieder hier will und nein, ich könnte hier nicht noch einmal schlafen. Der war gestern schon so blöd zu mir,  dass ich ihm als Beruf Bookwriter angegeben habe.  Wenn der meint,  der kann mir grossspurig kommen, kann ich auch grossspurig sein.  Und wie! Das hat ihn gestern schon geärgert,  weil er sich mit diesem Beruf mir nicht mehr gegenüber überlegen fühlen konnte. Und dass ich hier nicht schlafen dürfen soll obwohl doch schon mein Rucksack da ist (das registriert er durchaus und man sieht die Fragezeichen über seinem Haupt Flamenco tanzen (können Fragezeichen mit Kastanetten klappern? Das sieht bestimmt lustig aus! ), aber nachdem ich hn frage,  was ich denn hätte machen sollen -  von hier nach Olliengo  fahren,  hierher zurücklaufen und dann vielleicht nach Mieres zurückfahren (da ist die nächste Herberge,  die mir so spontan einfällt), da schlafen,  morgen von da wieder hierher fahren,  damit ich dann hier den Primitivo beginnen kann? Hallo! -  und ihm zum Beweis das Ticket unter die Nase halte,  gibt er sich geschlagen. Ich gebe es ja auch zu,  ich war da nicht ganz fair,  denn weil ich ja kein Spanisch kann,  kommt er mir mit seinem etwas holprigen Englisch entgegen und ich talke ih einfach in Grund und Boden.  Das ist eigentlich nicht nett. 

 

Aber nett hin und her,  ich darf natürlich hier schlafen, allerdings soll ich 5,-- € zusätzlich zahlen. Hä?  Aber ich gehe da gar nicht weiter drauf ein. Erstens wäre das doch am Ende, 5,-- € mehr oder weniger, eine sehr billige Nacht, zweitens kein rausgeschmissenes Geld,  weil es ja hoffentlich für die Herberge genommen wird, und drittens hab ich schon ein bisschen das Gefühl,  dass ich mit meiner Rumpelpumpelart ein bisschen gut daran tue,  nicht auf den Cent zu gucken.

 

 

Als ich ihn nach der Urkunde fragte,  kriegte er sogar ein bisschen rote Öhrchen und entschuldigt sich,  dass er mir die nicht gestern schon ausgestellt hat.  Nun tut er mir fast ein bisschen leid.  Neinnein,  das sei ja auch gestern nicht richtig gewesen, weil da war ich ja noch nicht fertig,  sondern erst heute. Ich glaube,  er hätte in diesem Moment rosa Nilpferde im Tutu für mich Flugrollen machen lassen,  wenn ich nur endlich die Klappe halte! Jedenfalls kriege ich meine Salvadorana,  eine Rolle, um sie darin sicher aufzubewahren, bezahle nur die normalen 5,-- € und bin rundum glücklich. 

 

 

 

 

Und dann muss ich doch laut lachen,  weil als ich aufstehe fragt er mich,  welche Bücher ich eigentlich schreibe? Phantasie? - Nein,  Psychothriller und Horror! 

 

Jetzt muss ich mich aber beeilen,  weil ich treffe mich mit Gerhard aus dem Pilgerforum an der Kathedrale.  Als ich ankomme, habe ich das Glück,  das die gerade für einen Gottesdienst geöffnet wird und ich sie mir ansehen kann. Dann sitze ich noch ein Weilchen auf der Mauer und gucke Menschen. Da kommt Francesco aus der Herberge in Pola de Lena gestern in Flipflops angeflipflopt und wir freuen uns beide ganz dolle,  dass wir uns sehen. Er wollte ja gestern ganz sicher bis hierherlaufen und ich dachte,  er ist längst über alle spanischen Berge. Nun hat er sich heute einen Tag Ruhe gegönnt und ist halt doch noch hier. 

 

Der Kathedralenplatz begrüsst Gerhard dann gleich, wie es sich gehört, mit Regen. Wir trinken einen Kaffee miteinander und ich freue mich wie Rumpelstilzchen,  dass ich mal wieder flüssig und ohne nach spanischen Worten suchen zu müssen reden kann.  

Ich kann mich nicht an viele Nächte in meinem Leben erinnern, in denen ich so gefroren habe wie in dieser. Gestern waren wir zu sechst und es war so warm und kuschelig.  Gut ich habe wahrscheinlich heute morgen auch so lange (bis 8.00 Uhr! Ich weiss gar nicht,  wann ich das letzte Mal so lange geschlafen habe! ) geschnurchelt,  weil ich wahrscheinlich im absoluten Sauerstoffentzugskoma lag,  aber es war mir nicht kalt.  In dieser Nacht ziehe ich nach und nach alles an,  was mein Rucksack hergibt,  aber wir sind halt nur zu dritt,  da fehlt eine ganze Hälfte Körper mit entsprechender Wärme. 

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