Santiago - Lugo

Ich bin 100-km-Pilger!

Kinders, ist das komisch: Ich bin ein 100-km-Pilger!

 

Heute fahre ich mit dem Bus zurück nach Lugo, um jetzt auch noch die Nordroute zu gehen.

 

Wie ich auf diese blöde Idee gekommen bin? Bin ich eigentlich gar nicht. Ich wollte von Anfang an dortherum laufen, aber dann hätte ich mich von all den Menschen verabschieden müssen, die mir unterwegs so lieb geworden sind. Und das war mir krusselig. Und dann hab ich gedacht: Warum denke ich eigentlich?! - Also darüber nach, meine ich. Hallo! Ich habe noch keinen Rückflug gebucht, bin zeitlich ungebunden und frei - wer sagt, dass ich nicht beide Wege gehen kann?

Und dann gibt es da noch einen Grund:

Ich möchte nämlich einen Pilgerführer schreiben, den

Camino Primitivo für Bauchfüßler

So gesehen bleibt mir also gar nichts anderes übrig, als wieder nach Lugo zurückzufahren und die Nordroute auch noch zu laufen. Und ich bin da gar nicht sooo unglücklich drüber ;)

Aber so schön das ist: Ich fühle mich ein bisschen wie bestellt und nicht abgeholt, als ich so alleine zum Bus gehe, im Bus sitze, in Lugo ankomme. Ich habe die letzten zwei Wochen so genossen! Ich war auch da ganz viel allein, bin alleine gewandert, hatte viel Zeit für mich und meine Gedanken, aber in den Bars und in den Herbergen war immer schon jemand da, der sich freute mich zu sehen, wo ich mich dazusetzen und -legen konnte. Jetzt bin ich wieder alleine, ganz alleine. Daran muss ich mich erst noch wieder gewöhnen.

Als ich durch das Stadttor gehe, tut es besonders weh, weil hier war das letzte mal Francois, schon frisch geduscht und völlig entspannt und hat mich zur Herberge geschleppt. Naja gut, ich weiß ja jetzt, wo sie ist, aber fehlen tut er mir trotzdem.

Kinders, die Begrüßung da ist vielleicht komisch! Nein, ich kriege nicht so einfach ein Bett, ich muss bis 20.00 Uhr warten, weil der Hospitalero bei gerade mal 25 belegten von über 40 Betten um 16.30 Uhr erst warten möchte, wer da noch alles ankommt. Grundsätzlich ist das ja völlig in Ordnung, dass denen, die zu Fuß oder per Fahrrad ankommen der Vorzug gegeben wird. Aber denkt der wirklich, dass da noch 20 Pilger kommen? Um 16.30 Uhr?

 

Und nein, meinen Rucksack kann ich auch nicht einfach hierlassen und ohne ihn bummeln gehen! Und dann mache ich auch noch einen entscheidenden Fehler: Ich kriege ganz große Ohren, weil Chris aus Australien nach der Nordroute fragt. Da bin ich ja nicht die Einzige, die da herumwatschelt! Das ist ja fein! - denke ich. Der Hospitalero ist da nicht ganz so begeistert, antwortet nur kurz und sicht- und hörlich unerfreut: Nein, das sei kein offizieller Weg und er wüsste über ihn nichts und das sei kein Camino. Alle möglichen Kreuz- und Querverbindungen - ja, das seien anerkannte Wege, aber dieser eben nicht. So.

 

Ich mag mir aber die Gelegenheit nicht entgehen lassen mit meinem potentiellen Mitläufer anzubändeln und oute mich als Auchnordroutengeher ... und bin damit völlig untendurch bei dem Hospitalero: Da kommt so eine Ziege mit dem Bus, geht eh nur die letzten 100 km und will dann auch noch da gehen, wo "kein offizieller Camino" ist. Er wird ein bisschen flapsig. Um mich zu rechtfertigen (warum eigentlich?!) erkläre ich ihm, dass ich gerade letzte Woche den offiziellen Weg gegangen bin und mir jetzt auch die Nordroute angucken möchte. Damit kippe ich freilich Öl aufs Feuer, denn das kann er sich nun gar nicht vorstellen, dass jemand so bekloppte Sachen macht. Sein musternder Blick sagt mir, dass er mich für einen maßlosen Aufschneider hält. Wo er jetzt bei mir genau an der richtigen Adresse ist. Aufschneider? Von wegen! Ich bin immerhin vorher auch den Camino de San Salvador gegangen! Und dann muss ich doch mal lachen, weil den tut er nun auch als nicht offiziellen Weg ab ... und das genau vor einer großen Wegetafel, auf der er sogar eingezeichnet ist!

 

Wie dem auch sei: Chris fragt in der Touristeninformation nach, wird dort auch ein bisschen ... kurzatmig behandelt, ich stelle meinen Rucksack im Carefour in ein Schließfach und bin ihn jetzt halt so los und bummele bis kurz vor 20.00 Uhr durch die Stadt. Dann gehe ich zurück zur Herberge. Um Punkt 20.00 Uhr wird die Warteliste Namen für Namen (es sind immerhin 5 bei noch immer 20 leeren Betten!) abgearbeitet, ich kriege ein Bett und mehr will ich ja gar nicht.

 

Ich glaube, Nordroutengänger sind hier nicht gerne gesehen.

 

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