21.06.2018 Vorgesabbel und los geht's!

Uff, langsam werde ich fertig

Ich hab da mal eine Frage an alle Wiederholungstäterpilger: Geht es euch auch so, dass ihr immer wieder total aufgeregt seid? - Ich meine, klar, manche Dinge automatisieren sich. Ich weiß, dass ich eine Zahnbürste brauche, Unterhosen, Socken, Sicherheitsnadeln, mein Credencial, Geldbeutel, Ohrstöpsel. Ich weiß, dass ich ohne meine lange Merinounterhose und einem Päckchen Leckerschneckchen nicht das Haus verlasse. Ich weiß, wenn ich lange genug geschwitzt habe, auch wieder, wie ich mich einchecke und mir die Boardkarte aufs Handy male. All das WEISS ich, aber Wissen geht ja im Kopf ... und da fängt bei mir das Problem an. Mein Kopf ist sooo klein!

 

(Oh, Moment, ich muss noch eine Brillendose einpacken. Bin gleich wieder da! Hach, was man nicht im Kopf hat ...)

 

Mein Bauch ist da viel dicker und entsprechend stimmgewaltiger und mein Bauch schreit: Heideröslein! Na klar, ich kenne den Weg. Immerhin habe ich mich auf ihm beim zweiten Mal nur noch ganz selten verlaufen. Ich weiß, was auf mich zukommt und doch ist es für mich, als würde ich zum ersten Mal starten. Da sind genau die gleichen bangen Fragen: Schaffe ich das? Werde ich schon am ersten Hügel hängenbleiben? Wird alles gutgehen? Wie wird das Wetter? Übertreibe ich jetzt mit meiner langen Unterhose? Welchen Menschen werde ich begegnen? Welche Gespräche werde ich haben? Gibt es Nebel, wenn ich über den Hospitales gehe?

 

Uuuuh, da ist dann noch ein Stimmchen in mir, nämlich das der Bücherschreiberin: Du kannst doch nicht schon wieder die Hospitales-Route laufen, du solltest auch mal über Pola de Allande gehen, damit du weißt, wie da der Weg aussieht. Du solltest auch mal in anderen Herbergen schlafen!

 

Naja gut, letzteres wird sich automatisch ergeben, weil ich morgen erst mittags in Oviedo ankomme und nur eine halbe Tagesetappe schaffen werde, aber wie geht sich das dann mit den Tagen aus?

 

Ja, Tage sind in diesem Jahr schon ein bisschen wichtig für mich, denn am 5. Juli muss ich unbedingt zurück in Santiago sein. Dann kommt abends nämlich eines meiner großen Leben nachgeflogen, wir bleiben noch eine Nacht im Pinario (hihihi, er ist ganz glücklich, dass er da noch nicht mit seiner schnarchenden Mutter in einem Zimmer schlafen muss, aber ich glaube, er erwartet als Hotelfachmann nicht gerade eine Klosterzelle!) und machen uns dann auf den Weg ans Ende der Welt! Endlich, endlich komme ich da auch hin! Nein, guckt jetzt bitte nicht so entgeistert, ich war tatsächlich noch nie in Finisterre. Ich wollte da auf keinen Fall alleine hinlaufen. Eigentlich habe ich mir immer gewünscht, dort mit meinem lieben Mann und Göttergatten anzukommen. Jetzt nimmt Linus seinen Platz ein und ohne Thomas zu nahe treten zu wollen, ist das noch viel, viel schöner für mich. Immer habe ich mir gewünscht, dass einer meiner Leben mit mir ein Stück Camino geht. Ich wollte ihnen so gerne mal zeigen, wie schön pilgern ist, wie besonders - jetzt endlich darf ich es! Unglaublich!

 

Tja, so viel zum Vorgesabbel. Jetzt wird es aber langsam Zeit für mich: Der Rucksack ist fertig und zu (die Brillendose hab ich gerade noch so reingequetscht bekommen und wie bei jedem Camino frage ich mich, was um Himmels Willen mich geritten hat, ihn so vollzustopfen. Das muss ich doch alles tragen!) ... (naja gut, er wird ja von Müsliriegel zu Leckerschneckchen leichter ;-) ). Draußen wird es windig und bedeckt - vielleicht ist es doch keine gute Idee, den Poncho daheim zu lassen. ... Nein! Rucksack ist voll und zu, da kommt nix mehr rein!

 

Und jetzt muss ich mich langsam umziehen, dann geht es zum Flughafen und ...

 

Ach, ich glaube, wenn ich in Santiago in meiner Herberge bin, geht es mir zwar noch nicht wirklich gut, aber immerhin besser.

 

Oh, einen Tipp habe ich da für alle, die wie ich relativ spät in Santiago landen, morgens zum Camino-Start weiterfahren und Santiago selbst nicht vor dem großen Einlauf sehen möchten: Gleich in der Nähe des Busbahnhofs gibt es eine Herberge, Monterey (14,-- €), da ist der Hospitalero total nett und wartet, bis man angedüddelt kommt, auch wenn das erst nach 22.00 Uhr ist. Da habe ich letztes Jahr auch geschlafen. Als ich angewackelt kam, begrüßte mich der Hospitalero schon von weitem sehr herzlich und hat mich am nächsten Morgen mit einer lieben Umarmung auf meinen Weg geschickt.

Bei allen, auf die er nicht extra warten muss, ist er bestimmt genauso freundlich ;-)

 

So, meine Lieben, jetzt umziehen, ins Auto und nach 15 Minuten Fahrt einsehen, dass, wenn mir dann noch etwas einfällt, was ich vergessen habe, das eben daheim bleiben muss, weil sonst ich selbst Gefahr laufe daheimbleiben zu müssen, weil der Flieger keine Rücksicht auf meine Vergesslichkeit nimmt (ich habe vorvorgestern geträumt, ich hätte am Flughafen gestanden und meine Boardkarte vergessen. War ich froh, dass ich mein Handy dabei hatte! ... Das darf ich auf keinen Fall vergessen :-D).

 

Bis morgen!